Predigt mit 1. Könige 3,9: Das „hörende Herz“ und die Frage nach gut und böse

Predigt mit 1. Könige 3,9: Das „hörende Herz“ und die Frage nach gut und böse

Predigt mit 1. Könige 3,9: Das „hörende Herz“ und die Frage nach gut und böse

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Predigt mit 1. Könige 3,9: Das „hörende Herz“ und die Frage nach gut und böse

Predigt zum Nachhören

Predigt zum Nachlesen:

Predigt mit 1. Könige 3,9: Das „hörende Herz“ und die Frage nach gut und böse gehalten am 9. November 2025 im evangelus-Gottesdienst in Erkner anl. der Eröffnung der Friedensdekade von Pfarrer Patrick Holschuh

  1. Die Frage nach „gut und böse“ und der Wunsch beide zu unterscheiden
  2. König Salomo und sein Wunsch nach einem „hörenden Herzen“
  3. Novemberpogrom 1938 – Schweigen als Spannung zum hörenden Herzen
  4. Friedensethische Positionen innerhalb der EKD
  5. Das hörende Herz
  6.  Schluss

„Gnade sei mit euch und Frieden von dem, der da war und der da ist und der da kommt. Amen.“

Ihr Lieben,

„Komm den Frieden wecken!“ – Wie soll das gehen? Im Kleinen ist es ja schon nicht einfach – in der Familie, mit Nachbarn, unter Freunden – und noch viel schwieriger ist das ja in der Weltpolitik.

Die einen mahnen zur Kriegstüchtigkeit und verweisen auf den Kalten Krieg, der friedlich blieb, weil beide Seiten wussten, der andere ist kriegstüchtig. – Die anderen warnen vor einer Eskalation und sehen Kriegstreiberei am Werk.

Und manchmal habe ich das Urteil schnell bei der Hand, vielleicht geht es Euch auch so. Dann will ich dem anderen eigentlich gar nicht weiter zuhören. Manchmal stehe ich aber auch ratlos da und weiß auch nicht, was nun das Richtige ist.  

(Instrumental: Refrain des Liedes: Schenke mir, Gott)

Im Traum begegnet der junge König Salomo Gott. Eine Frage verfolgt ihn bis in den Schlaf:  Wie unterscheide ich zwischen gut und böse, gerade in der Politik. Wo jede Seite im besten Falle Argumente für die eigene Position hat.

Im Traum, da ist alles möglich, das wissen wir. Und so hat er nun die Möglichkeit, sich von Gott etwas zu wünschen. Und ich weiß nicht, was Ihr Euch in der Situation wünschen würdet. Wahrscheinlich würde ich mir zuerst wünschen, die richtigen Antworten und die besseren Argumente zu haben. Doch Salomo wünscht sich: „Schenke mir Gott ein hörendes Herz“.

„Ein hörendes Herz“ – Er wünscht sich die Bereitschaft zum aufmerksamen Zuhören: auf die Stimmen der Mitmenschen, auf die Natur, auf die Geschichte. – Hören, was sie zu sagen haben, bevor er selbst eine Entscheidung, ein Urteil fällt. 

Ich glaube, das geht uns ja ganz ähnlich. Wir wünschen uns, dass wir die Welt um uns verstehen, dass uns die Welt nicht stumm bleibe, sondern vernehmbar werde. Wir wünschen uns die Fähigkeit, mit der Welt in Resonanz zu gehen.

Und im Herzen da lief für die alten Israliten alles zusammen: das Fühlen, das Wollen und das Denken. Die Aufgabe des Herzens ist die Suche nach Lebensklugheit und Weisheit. Und dazu gehörte, das Herz zu öffnen: Hören und Fühlen, was um mich herum vor sich geht; überlegen, was realistischerweise möglich ist; und dann entsprechend reden und handeln.

Was wir unterteilen in Verstand, Herz und Hand, das ist für die Menschen der Bibel alles im Herzen vereint.

Von Salomo wird weiter erzählt: „Und Gott gab Salomo (…) Weite des Herzens, vergleichbar dem Sand, der am Rand des Meeres ist.“ – welch ein weiter Horizont.

(Instrumental: Refrain des Liedes: Schenke mir, Gott)

Heute haben wir den 9. November. Und wenn wir unser Herz öffnen, können wir die Stimmen unserer Geschichte hören. Ich höre angesichts des auflodernden Antisemitismus heute besonders die Stimmen des 9. Novembers 1938, der Reichspogromnacht. Als Synagogen in Brand gesteckt und jüdische Geschäfte geplündert und zerstört wurden. Als der Besitz jüdischer Nachbarn aus Schränken gezerrt und auf die Straße geschmissen wurde, als jüdische Mitbürger durch die Straßen getrieben wurden.

Der 9. November 1938 ist auch ein Tag, der uns Evangelische beschämt.

Unmittelbar nach dieser Nacht erinnerte die Berliner Lehrerin Elisabeth Schmitz den Dahlemer Pfarrer Helmut Gollwitzer daran, dass sie alle Schuld auf sich geladen hatten, weil sie zu all den Maßnahmen der letzten Jahre gegen die Juden geschwiegen hatten. Und nun, „wo ja nun wirklich die Steine schreien“, wie sie ihm schrieb, scheine die Kirche wieder stumm zu bleiben.

Und ein Elberfelder Pfarrer der Bekennenden Kirche schrieb zwei Tage später in sein Tagebuch: „Gestern hat Trude einen Spaziergang zum Weinberg gemacht. Da haben viele, viele Menschen vor den Trümmern gestanden – aber alle – stumm. Stumm.“

Wohl nur ganz wenige haben ihre Stimme für die Juden erhoben und ihren Mut mit Schlägen und Haft bezahlen müssen. Die allermeisten haben geschwiegen. Geschwiegen aus Scham. Andere aus Furcht. Und wieder andere schwiegen und stimmten dabei klammheimlich den Verbrechen zu.

Und der deutsch-christliche Bischof aus Magdeburg, Friedrich Peter, ein glühender Nazi, geiferte sogar eine Woche später: „Wir Deutschen haben gelernt, dass man sich große Gedanken und ein reines Herz erbitten soll. Wie steht es aber um Juda, dessen Gott ein Mörder ist von Anfang an?“ Und der Thüringer deutsch-christliche Landesbischof stimmte ein: Das Mitgefühl habe nicht den Juden zu gelten, sondern den europäischen Völkern, die von den Juden ausgebeutet worden seien.

Im Rückblick sehen wir fassungslos, wie hier gut und böse von evangelischen Christen vertauscht wurde. Wie wenig ein hörendes Herz vorhanden war oder wie grausam es in die Irre ging.

Und wenn wir in die Gegenwart schauen, dann wünsche ich mir in all dem erstarkenden Antisemitismus ein hörendes Herz. Unterscheiden zu können, was berechtigte Kritik ist und was nicht. Was gut und was böse ist.

(Instrumental: Refrain des Liedes: Schenke mir, Gott)

Die Friedensdekade im Jahre 2025: Komm den Frieden wecken – aber wie?

Auch in unserer evangelischen Kirche stoßen zwei verschiedene Haltungen zum Frieden gegenwärtig aufeinander. Die einen rufen ungebrochen: „Frieden schaffen ohne Waffen!“. Immer deutlicher wird aber auch ein anderer Ruf vernehmbar: „Frieden schaffen mit Waffen“.

Alte Gewissheiten hat auch bei uns Evangelischen der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine in Frage gestellt. Ich glaube, das treibt uns alle um, was der angemessene Weg zum Frieden ist. Das beschäftigt auch unsere evangelische Kirche.

Heute beginnt die Synode der EKD in Dresden und auch dort ist der Frieden Thema. Morgen möchte die EKD eine neue Denkschrift zum Frieden vorstellen. Die Leitperspektive soll der gerechte Friede bleiben. Doch stärker als bisher soll der nötige Schutz vor Gewalt betont werden. Dem Schutz des Lebens wird ein Vorrang eingeräumt, wohl notfalls auch Schutz mit Hilfe von Waffen.

Und das Thema treibt auch uns hier in Brandenburg um. Vor einem halben Jahr haben sich auch die Synoden unserer Landeskirche und unseres Kirchenkreises mit dem Frieden beschäftigt. Die EKBO hat eine „Standortbestimmung“ verfasst. Im Gemeindebrief war sie abgedruckt. Vielleicht habt Ihr sie gelesen. Ich finde es bemerkenswert, dass gegen Ende vor allem Fragen auftauchen und so heißt es dort:

„Mit Bonhoeffer fragen wir uns: Wo folgen wir dem Aufruf zu unbedingtem Gehorsam gegenüber dem Friedensgebot Jesu, und wo sollten wir dem Gebot der Nächstenliebe folgend um den Preis der Schuld doch auf militärische Verteidigung und Abschreckung setzen? Wo ist unsere eigene Sicherheit der leitende Gedanke und wo muss der Frieden dennoch gewagt werden?“

(Instrumental: Refrain des Liedes: Schenke mir, Gott)

„Schenke mir Gott ein hörendes Herz“, ja, das wünsche ich mir auch von Gott.

Schenke mir Gott ein Herz, das die Stimmen der Geschichte hört und sie sich zu Herzen nimmt; ein Herz, das die Fragen unserer Zeit und die unterschiedlichen Argumente hört. Ein Herz, das sich einfühlt in die Sorgen und Ängste der Menschen um mich herum.

Schenke mir Gott ein Herz, das den anderen verstehen will und ihn nicht missverstehen will; das auch die Politiker verstehen will.

Schenke mir Gott ein Herz, das im Einklang mit Fühlen und Denken dann ein Urteil fällt. Und dabei auch die vielen Grautöne nicht übersieht, die es gibt. Ein weites Herz.

Ja, „schenke mir Gott ein hörendes Herz“ – dass die Welt um uns herum nicht stumm bleibt und auch wir nicht stumm bleiben, sondern das Rechte zum Frieden sagen und ihn tun.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: Sonne der Gerechtigkeit

 

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